Unsere Wahl – Konsequent gegen Rechts

Seit einigen Jahren steckt die Bundesrepublik Deutschland in einer politischen Krise. 

Mit dem Scheitern der Ampelkoalition und den anstehenden Neuwahlen am 23.02.2025 hat diese Krise ihren temporären Höhepunkt erreicht.

Ein Blick auf die Parteienlandschaft

Stand jetzt werden vor allem CDU, AfD und in geringerem Ausmaß Bündnis Sahra Wagenknecht gestärkt aus den Wahlen herausgehen, während die „Ampelparteien“ SPD, Die Grünen und FDP in einer Krise stecken und vermutlich an der Wahlurne abgestraft werden. Ein besonders markantes Zeichen der Krise der „fortschrittlichen“ Parteien ist der Austritt von linken Kräften aus der Grüne Jugend

Die Partei Die Linke steht davor, völlig in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Momentan setzen die verbliebenen Teile der Partei darauf, über Direktmandate von charismatischen Einzelpersonen weiterhin im Bundestag vertreten zu sein. Beim abgespaltenen Bündnis Sahra Wagenknecht ist ein Einzug in den Bundestag nicht unwahrscheinlich, was daraus folgt ist aber noch nicht absehbar. 

Über mögliche neue Regierungskonstellationen lässt sich nur spekulieren. Es ist aber zu erwarten, dass die CDU mit Friedrich Merz den nächsten Kanzler stellen und deutlich gestärkt aus der Wahl hervorgehen wird. Die Rechtsentwicklung und das Ende der „Ära Merkel“ innerhalb der CDU scheint abgeschlossen; die Partei verfolgt nun wieder einen offenen rechten Kurs und fährt damit Erfolge ein.

Auch die AfD wird ihr Ergebnis zur letzten Bundestagswahl deutlich verbessern können. Die allgemeine Rechtsentwicklung der letzten Jahre wird sich dadurch auch im Parlament widerspiegeln. Somit baut die AfD ihre Stellung als parlamentarischer Arm der rechtsradikalen Bewegung in Deutschland weiter aus. Dabei geht es treibenden Kräften der Rechten nicht vorrangig um Parlamentsarbeit und einzelne Gesetzesänderungen, sondern um die Stärkung und den Ausbau ihres rechtsradikalen Projektes auf vielen verschieden Ebenen.

Denn die Rechten und insbesondere die AfD schaffen es, den Diskurs immer wieder nach rechts zu verschieben und auch ohne eine Regierungsbeteiligung ihre rechte Agenda in den Medien und der Parlamentsarbeit zu platzieren. Das trägt nicht nur zur Normalisierung der AfD und ihrer rechten Positionen bei, sondern treibt auch die gesellschaftliche Rechtsentwicklung weiter voran. 

Denn die Rechtsentwicklung findet auch, wenn nicht sogar hauptsächlich, außerhalb von Wahlkämpfen und Parlamenten statt – dessen ist sich auch die AfD bewusst. Auch deshalb muss für uns als Bündnis gegen Rechts klar sein, dass der Kampf gegen Rechts nicht nur an der Wahlurne, sondern vor allem im gesellschaftlichen Diskurs und auf der Straße stattfindet. Mit der Stimmenabgabe bei der kommenden, aber auch bei nachfolgenden Wahlen ist es nicht getan: Der Kampf gegen die Rechtsentwicklung muss konsequent geführt werden – 365 Tage im Jahr!   

Die Rechtsentwicklung zeigt sich nicht nur an Umfragen für die kommende Wahl oder anhand politischer Debatten. Sie ist in verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft klar zu erkennen: 

Migration, Flucht und Außenpolitik

So spielt auch im Wahlkampf zur Bundestagswahl im Februar 2025 das Thema Migration und Flucht wieder eine große Rolle. Geflüchtete, Migrant*innen und Bürgergeldempfänger*innen werden zum Sündenbock der kapitalistischen Krisen gemacht. Doch anstatt Fluchtursachen wie Krieg, Verarmung und Klimawandel konsequent entgegenzutreten, wird mit Abschottung der „Festung Europa“, Abschiebungen im großen Stil, wieder eingeführten Grenzkontrollen und allgemein schlechter Behandlung (Stichwort ‚Bezahlkarte‘) von Geflüchteten reagiert. 

Gleichzeitig werden durch Waffenlieferungen in alle Welt Konflikte weiter vorangetrieben, anstatt sie zu befrieden. Dass dabei humanitäre und moralische Verpflichtungen reihenweise über Bord geworfen werden,zeigt sich auch an der anhaltenden Unterstützung der rechten Regierung Netanjahus mit ihrem völkerrechtswidrigen Vorgehen im Gaza-Streifen und den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen oder der Türkei bei ihren Kriegen im Nahen Osten.

Und spätestens seit dem Verkünden der „Zeitenwende“ durch den scheidenden Bundeskanzler Olaf Scholz sind die Prioritäten wieder klar zu erkennen: 100 Milliarden für die Bundeswehr und die Erfüllung des 2 %-Ziels der NATO werden, ohne zu zögern, bereitgestellt, während gleichzeitig dringend nötige Investitionen mit Verweis auf die Schuldenbremse blockiert werden. Hinzu kommt die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die junge Menschen zum Dienst für Deutschland, vor allem auch an der Waffe, nötigen soll und die Militarisierung der Gesellschaft weiter vorantreibt. 

„Sicherheits“politik und Aufrüstung im Inneren

In Zeiten der Krise rüstet der deutsche Staat nicht nur nach „außen“ auf. Mit verstärkten Überwachungsmaßnahmen, Ausbau des Polizeiapparats und verschärften Polizeigesetzen werden unter dem allgemeinen Vorwand der Sicherheit Einschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte vorangetrieben. Dabei wurden die Verschärfungen der Maßnahmen, besonders 2024, auch immer wieder mit dem Kampf gegen Rechts und Islamistische Kräfte begründet. Tatsächlich werden auch rechtsradikale und islamistische Gruppen vom Staat zerschlagen und bekämpft, am Ende treffen diese Maßnahmen aber meistens die arme und migrantische Bevölkerung, sowie linke Widerstandsbewegungen.

Auch in Stuttgart sind Themen wie Innenstadtüberwachung und Befugnisse für Sicherheitskräfte immer wieder im Gespräch. So hat die Stadt der Polizei mit der Verhängung und Verlängerung der Waffenverbotszonen in der Innenstadt vor allem auch ein Instrument zur anlasslosen Kontrolle in die Hand gegeben, die vor allem junge und migrantische Menschen trifft. Und dass die Stuttgarter Polizei auf Kundgebungen und Demonstrationen gerne hart gegen linke Kräfte vorgeht, haben die letzten Jahre ebenfalls zu Genüge bewiesen. 

Vereinzelung und Vereinsamung in der Gesellschaft 

Besonders offensichtlich und schockierend tritt das „harte“ Vorgehen der Polizei auch immer wieder bei Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu Tage: 2024 starben so viele Menschen durch Schusswaffengewalt der Polizei wie seit mindestens 40 Jahren nicht mehr. Anstatt Konflikte mit Hilfe von geschultem Personal dialogorientiert zu lösen, greift die Polizei immer wieder zum Mittel der Gewalt. In Zeiten, in denen psychische Krankheiten und Vereinsamung stetig zunehmen, gibt es scheinbar weder seitens der Polizei noch seitens der Politik angemessene Antworten darauf. Es fehlt an Behandlungsmöglichkeiten, sozialer Aufklärung/Enttabuisierungund einem nachhaltigen Gesellschaftsmodell, in dem alle Personen ihren Platz haben können.

Die kapitalistische Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen

Grundsätzlich führen die steigenden Kosten bei Lebensmitteln, Dienstleistungen und Wohnraum zur zunehmenden Armut.

Auch sind in der kapitalistischen Krise immer mehr Menschen von Armut betroffen, wissen nicht, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen und müssen Angst haben, zwangsweise aus ihrer Wohnung geworfen zu werden. Statt auf diese Missstände zu reagieren und die zunehmende Armut ernsthaft zu bekämpfen, werden aber weiter soziale Infrastruktur abgebaut, Sozialleistungen in Frage gestellt und reiche Unternehmen hofiert. Besonders deutlich wird diese Verarmung der Gesellschaft an Zahlen der Kinderarmut: Ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland leben in Armut oder sozialer Ausgrenzung – und gleichzeitig wird bei Ausgaben für Kinder- und Jugendliche gekürzt.

Gegen jeden sozialen Fortschritt – Kulturkampf, Antifeminismus, Queerfeindlichkeit und Ableismus

Doch anstatt die Verarmung und den Reallohnverlust effektiv zu bekämpfen, führen rechte Akteure in den letzten Jahren lieber einen Kulturkampf, der dankbar von konservativen Kräften unterstützt wird. Immer wieder schaffen es rechte Akteure somit, soziale Themen aufzugreifen und rückschrittlich zu besetzen. Ihnen gelingt es, sich weiter aufzubauen und „Rechts-sein“ als Gegenkultur zu einem vermeintlich „linken“ Mainstream zu etablieren. 

Vor allem Antifeminismus und Queerfeindlichkeit bilden dabei ein Bindemittel zwischen verschiedenen Akteuren der Rechten (Stolzmonat usw.) und bieten oft auch erste Anknüpfungspunkte zwischen Jugendlichen und rechter Politik.

Antifeminismus ist eine zentrale ideologische Säule für rechte Strömungen und sorgt für eine Annäherung zwischen verschiedenen Personenkreisen, wie beispielsweise bei den antifeministischen Protesten rund um die Themen Schwangerschaftsabbruch oder Sexualaufklärung immer wieder zu sehen ist. Ähnliches lässt sich auch bei Queerfeindlichkeit feststellen, wie die rechte Mobilisierung gegen verschiedene CSD-Veranstaltungen in Deutschland beweist.

Eine weitere Rückkehr zu traditionellen Geschlechterrollen, ein Zurückdrängen von Frauen in den häuslichen Bereich und das Propagieren „traditioneller“ Werte wird dabei auch verstärkt durch eine Politik, die an öffentlicher Daseinsfürsorge spart und greift die Selbstbestimmung von Frauen und queeren Menschen massiv an.

Darüber hinaus nehmen auch Gewalt und Übergriffe gegen Personen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung weiter zu. Ob Kürzungen im Pflegebereich oder faschistisch motivierte Angriffe auf Wohnprojekte, die Rechtsentwicklung hat schwere Folgen für eine oft bereits prekär lebende Personengruppe.

Faschistische Straßenmilitanz

Die Stärke der Rechten zeigt sich aber nicht nur an Wahlerfolgen oder durch die Präsenz der der AfD:

Neben Über- und Angriffen unterschiedlicher Härte durch „Einzeltäter“, die für ein erhöhtes Selbstbewusstsein und eine Radikalisierung der rechten Bewegung insgesamt sprechen, sind die Entwicklungen der organisierten Rechten besonders relevant.

Die faschistische Rechte von Identitärer Bewegung bis zum III. Weg wird zunehmend selbstbewusster und gewinnt an Stärke.

Faschistische Jugendgruppen mobilisieren bundesweit gegen Christopher Street Day-Veranstaltungen, (vermeintlich) linke Politiker:innen werden im Wahlkampf bepöbelt oder direkt angegriffen, Übergriffe aus rassistischer und antisemitischer Motivation nehmen zu und linke Hausprojekte werden mit Brandsätzen angegriffen.

Auch hier in der Region lässt sich diese Entwicklung beobachten. Die Gruppe „Unitas Germania“ bietet ein gegenkulturelles und rebellisches Auftreten im Internet, flankiert von Onlineshops und Telegramgruppen für einen niederschwelligen Einstieg und soziale Zugehörigkeit in der rechten Szene. Dazu gehört auch ein aktionistisches Auftreten rund um CSDs in Süddeutschland. Auch der rechte Protest gegen das Umsonst & Draußen Festival in Stuttgart 2024, bei dem die Junge Alternative gemeinsam mit Martin Sellner auftrat, zeigen ein verstärktes Selbstbewusstsein und eine Vernetzung rechter Akteure.

Weitere Beispiele für rechte Aktionen in Stuttgart sind die wiederholten Auftritte der faschistische Partei III. Weg oder die rassistische Banneraktion der Identitären Bewegung im Inselbad Untertürkheim 2023. 

Fazit

Mit Blick auf all diese Entwicklungen steht für uns als Bündnis fest: Die bürgerlichen Parteien sind Teil der Rechtsentwicklung. Auch die „progressive“ Ampel-Regierung setzte in den vergangenen Jahren einen rechten Kurs um. Sie reagiert mit Abschiebungen, Sozialabbau und Aufrüstung im Inneren und Äußeren auf die aktuellen Krisen. Die CDU hat, all ihren Versprechen von der Brandmauer zum Trotz, längst einen rechten Kurs übernommen und nähert sich der AfD immer weiter an.

Hinsichtlich der lokalen Rechtsentwicklung, in der faschistische Organisationen und Akteure immer offener und selbstbewusster in Stuttgart auftreten, zeigt sich die Bedeutung konsequent antifaschistischer Bündnisarbeit.

Denn wir dürfen Rechten weder den Diskurs noch die Straße überlassen – weder in Stuttgart noch sonst irgendwo. 

Deshalb stehen wir als Bündnis für eine entschlossene, langfristige und gemeinsame Organisierung gegen die Rechtsentwicklung ein, unabhängig von Wahlterminen oder Umfragewerten.

Dafür können und müssen wir alle selbst aktiv werden: Unsere Bündnisgruppen arbeiten zu verschiedenen Themen gegen Rechts und stehen für alle offen, die sich engagieren wollen. Und auch im eigenen Umfeld und Alltag gilt es, rechte Hetze nicht einfach hinzunehmen. Rechten Parolen, egal ob im Diskurs oder im Straßenbild, können wir alle entschlossen entgegentreten.